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Bedarfsgenaue Brenngaslieferungen in Chemieparks

2016-07-11

In Chemieparks sind Dienstleister als Gaslieferanten entstanden, welche vor Ort anfallende Prozessgase auf ihren Energieinhalt analysieren, ggf. aufbereiten und dann an ansässige Betriebe liefern und verrechnen. Grundlage für diesen Ablauf ist eine prozesstaugliche Gerätetechnik auf Basis direkt messender Verbrennungskalorimeter. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieunternehmen ist nicht zuletzt eine Folge des Strukturwandels dieser Branche innerhalb der letzten zwei Dekaden: Was vor knapp 20 Jahren mit dem Aufgliedern des Unternehmens Hoechst begann, hat in Deutschland bis heute zum Aufbau von über 50 Chemieparks geführt. Diese bieten – von einem Betreiberunternehmen geführt – anderen auf dem Gelände angesiedelten Unternehmen ein Paket aus moderner Infrastruktur, Dienstleistungen aller Art und Vernetzung in einem Stoff- und Energieverbund. Dadurch werden diese Unternehmen zu Kunden des Betreibers und können auf das Errichten und den Betrieb eigener Versorgungsaggregate oder den Aufbau eigener Fachabteilungen verzichten, was die Kosten senkt und die Effizienz steigert. Dienstleistung im Chemiepark Marl Einer der größten deutschen Chemieparks ist der von Evonik Industries und ihren Tochtergesellschaften, Beteiligungen sowie zahlreichen anderen Unternehmen belegte Standort Marl mit rund 100 Produktionsanlagen. Diese stehen in einem engen stofflichen und energetischen Verbund. Betreiber des Chemieparks Marl ist die breit aufgestellte Evonik Technology & Infrastructure, die alle Dienstleistungen rund um den Betrieb chemischer Prozessanlagen anbietet. Das reicht von Ver- und Entsorgung aller Art, technischem Service, Logistik und Verfahrenstechnik bis zum Engineering von messtechnischen Lösungen, wie das nachfolgende Praxisbeispiel der Nutzung von Prozessgasen zeigt. Nutzung von Prozessgasen Im Energieverbund von Chemieparks spielen heute energiehaltige brennbare Prozessgase eine zunehmende Rolle. Es kam zu einem eindrucksvollen Wandel von ungenutzten Prozessgasen zu einem attraktiven Energieträger, der vor Ort zum Erzeugen von Wärme oder Elektrizität zum Einsatz kommt. Das reduziert oder erübrigt den sonst erforderlichen Zukauf von Erdgas. Die für Prozessgase typische Schwankung ihrer stofflichen Zusammensetzung und damit ihres Energieinhalts können Betreiber mit der heute verfügbaren Messtechnik zuverlässig erfassen und gegebenenfalls korrigieren. Zugleich liefert die Messtechnik auch die für die Verrechnung der gelieferten Energiemenge erforderlichen Daten und ermöglicht so die geforderte Kostentransparenz. Investition in Messtechnik Der Gaslieferant bezieht die Prozessgase aus verschiedenen Anlagen des Standortes und sorgt dafür, dass deren Brennwerte kontinuierlich ermittelt und, wenn erforderlich, durch Zumischung von Erdgas an die von den Abnehmern vorgegebene Spezifikation angepasst werden. Für diese Aufgabe war es nötig, als Ersatz für ältere Geräte eine prozesstaugliche, schnell reagierende Messtechnik mit Eignung zum Anbinden an ein Leitsystem anzuschaffen. Mit deren Auswahl, Engineering, Installation und Inbetriebsetzung wurde der Bereich Prozessanalytik von Evonik Industries beauftragt. Das Messverfahren der Wahl war die Kalorimetrie; die alternativ denkbare Prozess-Gaschromatographie zogen die Projektverantwortlichen wegen ihrer wesentlich höheren Zykluszeiten nicht in Betracht. Die Kalorimetrie ist ein seit über 100 Jahren bekanntes Messverfahren zum Vermessen brennbarer Gase, die heutige Gerätehersteller in moderne Technik umsetzen. Das Maß für den Energieinhalt eines Gases und damit für seinen prozesstechnischen und fiskalischen Wert ist der Wobbe-Index mit der Dimension kWh/m3. Die heutigen Kalorimeter bestimmen diesen Wert je nach Bauart direkt (als unmittelbaren Messwert) oder indirekt (mit Hilfe eines Korrelationsverfahrens aus einem anderen Messwert). Angesichts der Aufgabenstellung mit stark schwankenden Gaszusammensetzungen beurteilten die Ingenieure hier das Verfahren der direkten Messung als deutlich vorteilhafter, da Korrelationsverfahren bei stark wechselnder Zusammensetzung grundsätzlich Unsicherheiten bergen. So fiel die Entscheidung auf das kontinuierlich messende Verbrennungskalorimeter CWD2005 Plus von Union Instruments mit seiner direkten Wobbe-Messung. Der Betreiber schaffte drei Geräte an, die mit Blick auf die Anforderungen der Gaskunden auf einen Wobbe-Bereich von 5 bis 15 kWh/m3 eingestellt sind. Messkonzept und Ergebnisse Die kontinuierlich anfallenden Mess- und Statuswerte geben die Geräte über eine 4…20-mA- und eine Modbus-Schnittstelle aus und führen sie einem Leitsystem zu. Sie dienen der Regelung der gegebenenfalls erforderlichen Zumischung von Erdgas zum Einstellen des spezifizierten Energieinhaltes ebenso wie dem Verrechnen der gelieferten Energiemenge an den Kunden sowie zur Qualitätssicherung. Die gemäß den Spezifikationen maximal zulässige Messunsicherheit des Brennwerts des gelieferten Gases beträgt < 1 %. Diese wird von der gesamten Messeinrichtung erreicht. Seitens des Verbrennungskalorimeters tragen dazu sowohl dessen Unabhängigkeit von thermischen Umgebungsbedingungen als auch eine manuell angestoßene automatisch ablaufende Kalibrierung mit Kalibriergas bei. Mit Testgas wird im Folgenden der Messbereichs-Anfang verifiziert. Fazit: Der Einsatz von kontinuierlich arbeitenden Verbrennungskalorimetern und deren Einbindung in eine Mischungsregelung ermöglicht das Konditionieren und damit die Weiternutzung von Prozessgasen aus Chemieanlagen. Das erschließt weitere Energiequellen und eröffnet besonders für Chemieparks neue Möglichkeiten, die Energieeffizienz im Anlagenbetrieb zu steigern. Das im Chemiepark Marl hierfür realisierte Konzept liefert ein überzeugendes Beispiel. ZUR TECHNIK Das Messverfahren Die Kalorimeter CWD2005 von Union Instruments (CWD: Calorimetry, Wobbe-Index, Specific Density) bestimmen direkt den Wobbe-Index als typische Regelgröße für den Brennwert. Das Messverfahren basiert auf der kontinuierlichen Bestimmung der Temperaturerhöhung eines Trägermediums (Luft) durch die freigesetzte Energie beim Verbrennen eines definierten Gasstroms. Separat dazu misst das System die relative Dichte, woraus es den Heizwert und den Brennwert berechnet. Beim Verbrennen erfasst das Gerät auch unbekannte beziehungsweise unerwartet auftretende brennbare Komponenten des Prozessgases und berücksichtigt diese in der Messung. Diese Eigenschaft ist bei rasch wechselnder Gaszusammensetzung, beispielsweise von Prozessgasen aus chemischen Prozessen oder bei Ersatzgasen in der Stahlindustrie, Voraussetzung für zuverlässige Messergebnisse.